Kryptowährungen Das sind die drei größten Irrtümer der Bitcoin-Anhänger
Bitcoin, Ether und Co. sollten die Zukunft sein und haben nach wie vor viele Fans. Doch das Jahr 2022 hat gezeigt, dass Kryptowährungen an ihren Ansprüchen scheitern.
Mit dem Start ins neue Jahr lässt so mancher ein gesundes Maß an Realismus vermissen. Überambitionierte Neujahrsvorsätze münden alljährlich in ein Konjunkturprogramm für die Fitnessstudiobranche. Und auch manche Bankanalysten schienen 2022 mit allzu optimistischen Aussichten ins Jahr gestartet zu sein. So frohlockte die US-Großbank Goldman Sachs Anfang 2022 noch, der Bitcoin erreiche im Jahresverlauf ein Niveau von 100.000 Dollar. Nur wenige Tage nach dieser Prognose brach der Kryptowinter herein. Nun liegt die älteste und bekannteste Kryptowährung bei 16.870 Dollar – rund 63 Prozent unter dem Kurs von vor einem Jahr.
2022 endet für Inhaber von Bitcoin und Co. als Horrorjahr. Die enormen Wertzuwächse aus dem vergangenen Jahr haben Kryptowährungen abgegeben, nun notieren sie tief im Minus. Ein Gros der Anleger hat mit ihrer Kryptoposition im Depot Verluste verbucht. Und noch schlimmer: Der Sektor hat mit dem Fall der einst drittgrößten Kryptobörse FTX einen herben Vertrauensverlust erlitten.
Ja, Kryptowährungen haben sich in der Finanzwelt etabliert. Bärenmarkt und Massenpleiten werden der Branche sicher nicht den Todesstoß versetzen. Trotzdem: Die Ereignisse vergangenen Jahres haben gezeigt, dass Bitcoin und Co. an ihren Ansprüchen scheitern – und dass ihre Anhänger mehreren großen Irrtümern aufgesessen sind.
1. Bitcoin schützt nicht vor Inflation
Seit jeher stilisieren seine Befürworter den Bitcoin als digitales Pendant zu Gold. Tatsächlich gibt es einige Parallelen, allen voran das begrenzte Angebot. Die globalen Goldvorkommen sind ebenso endlich wie der Bitcoin-Bestand. Der Algorithmus der Digitalwährung sieht vor, dass nicht mehr als 21 Millionen Coins produziert werden können. Aktuell sind etwa 19 Millionen im Umlauf. Bis alle Bitcoins geschürft sind, dauert es noch gut 117 Jahre.
Die Schlussfolgerung von Krypto-Anhängern: Bitcoin schützt vor Inflation, weil das Angebot endlich ist. 2022 hätte die Kryptowährung diese Eigenschaft entfalten sollen, lag die Inflationsrate doch in vielen Monaten über zehn Prozent.
Nur: Die strikteste Mengenbegrenzung nützt nichts, wenn es keine Nachfrage gibt. Mit der Zinswende brachen die Kurse von Bitcoin und Co. ein, Anleger flüchteten in sicherere Anlagen. Die Kursverluste haben die Kaufkraftverluste von Anlegern noch weiter potenziert. Einen Inflationsschutz bietet Bitcoin nicht. Mit Gold hingegen kamen Anleger – in Euro gerechnet – auf ein Plus von immerhin 7,4 Prozent. In Dollar gerechnet liegen Gold-Anleger mit plus 1,4 Prozent immerhin nicht im Minus.
Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt
Der Fokus am Kryptomarkt liegt klar auf dem Bitcoin. Unter Altcoins versteht man Kryptowährungen, die nach der ältesten Digitalwährung erfunden wurden und eine Alternative zum Bitcoin darstellen. Beispiele dafür sind Ethereum, Cardano oder Solana.
Der Bitcoin ist nicht nur die dem Volumen nach größte, sondern auch die älteste Kryptowährung der Welt. Schon im Oktober 2008 skizzierte Satoshi Nakamoto, das Pseudonym des Bitcoin-Erfinders, in einem Whitepaper mit dem Titel „A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, wie so eine virtuelle Währung aussehen könnte. Kurz darauf, im Januar 2009, wurden die ersten Bitcoin geschürft. Weil Nakamoto unter einem Pseudonym agierte, ist bis heute unklar, wer genau den Bitcoin ins Leben gerufen hat.
Transaktionen von Kryptowährungen werden auf der Blockchain dokumentiert. Die Blockchain ist eine öffentliche, dezentrale Datenbank. Die Informationen werden nicht auf einem einzelnen Server, sondern auf vielen tausenden Rechnern gespeichert. „Chain“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Kette“.
Jede Transaktion wird in einem Block gespeichert und an eine Kette der bereits vorhandenen Datensätze angehängt. Deshalb wird die Blockchain auch digitales Kassenbuch genannt. Die gespeicherten Daten können im Nachgang nicht mehr oder nur mit Zustimmung des Netzwerkes geändert werden. So soll ein fälschungssicheres Protokoll entstehen.
Ether ist hinter dem Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain. Im Vergleich zur Bitcoin-Blockchain gilt diese als moderner und leistungsfähiger und soll in Kürze auf das energiesparendere Proof-of-Stake-Verfahren umgestellt werden. Auch Smart Contracts können über Ethereum gehandelt werden. Beliebt ist die Kryptowährung auch, weil NFTs (non fungible Token) oft auf Ethereum basieren und deshalb mit Ether bezahlt werden.
Mining ist das Erzeugen (Schürfen) neuer Coins. Bei diesem Prozess stellen Miner im Fall des Bitcoin die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um komplexe mathematische Aufgaben zu lösen. So werden Transaktionen verifiziert und auf der Blockchain gespeichert. Die Miner werden fürs Bereitstellen der Rechenleistung mit neu generierten Bitcoin belohnt.
Bei einigen anderen Kryptowährungen basiert das Mining dagegen nicht auf Rechenleistung, sondern auf den Anteilen der Netzwerk-Teilnehmer an der jeweiligen Kryptowährung (siehe Proof of Stake). In diesem Fall wird das Mining deshalb auch oft als Staking bezeichnet. Auch dafür bekommen Teilnehmer eine Prämie, also quasi eine Art Verzinsung für ihren Anteil.
Minten bezeichnet das Erstellen eines NFTs (non fungible Token). Mit dem „Prägen“ des Bildes ist in diesem Fall das Hochladen in die Blockchain gemeint.
Die Abkürzung NFT steht für non-fungible Token, also nicht austauschbare Wertmarken. NFTs sind virtuelle Güter, die über die Blockchain gehandelt werden. Oft sind es etwa digitale Bilder oder Sammelkarten. Jeder NFT ist einzigartig. Wer einen kauft, wird in der Blockchain als Eigentümer registriert und kann so beispielsweise ein Echtheitszertifikat für ein virtuelles Bild oder ein digitales Kunstwerk vorweisen.
Mit dem Proof-of-Work-Verfahren werden neue Münzen einiger Kryptowährungen wie dem Bitcoin geschaffen. Dafür stellen die Miner die Rechenleistung des Systems zur Verfügung, um komplexe Aufgaben zu lösen. Wer es zuerst schafft, die Aufgabe zu lösen, darf den Block an die Blockchain anhängen und erhält eine Belohnung in Form digitaler Münzen. Der Proof-of-Work-Ansatz gilt als besonders energieintensiv.
Einige Blockchains basieren auf dem Proof of Stake-Verfahren. Anders als bei Proof of Work werden dabei fürs Mining keine umfangreiche Hardware und große Mengen an Rechenleistung benötigt. Proof of Stake gilt daher als wesentlich energieschonender.
Statt dessen dürfen diejenigen Transaktionen und neue Coins freigeben, die einen besonders hohen Anteil an einer Kryptowährung halten. Sie werden dann Validatoren genannt. Der Prozess beruht auf einem Konsensmechanismus. Je höher der Preis, desto höher die Anzahl der Coins, um am Prozess teilzunehmen.
Smart Contracts sind virtuelle Verträge, die über die Blockchain getauscht werden. Diese treten unter bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen selbstständig in Kraft. Insbesondere Banken und andere Finanzinstitute sehen in Smart Contracts einen großen Nutzen. Sie könnten zum Beispiel beim Börsenhandel Intermediäre – also zwischengeschaltete Stellen wie Wertpapierbroker– überflüssig machen.
Die Wallet ist eine Art digitale Geldbörse für Kryptowährungen. Sie ermöglicht es Nutzern, Kryptoguthaben zu kaufen und zu verschicken. Es gibt mehrere Arten von Wallets. Die Hardware-Wallet ist quasi ein USB-Stick, auf dem das Kryptovermögen und die Zugänge eines Nutzers gespeichert sind. Eine Paper-Wallet wird auf Papier ausgedruckt.
Dafür wird ein QR-Code generiert, den man einscannen muss, um Transaktionen zu tätigen. Eine Software-Wallet kommt ohne externe Geräte oder Papierausdrucke aus. Hier werden die Daten in einem Computerprogramm gespeichert. Nutzer dürfen ihre Zugangsdaten nicht vergessen: Sonst bliebe ihnen der Zugriff auf ihr Kryptovermögen verwehrt.
Dieses Krypto-ABC entstammt dem großen Krypto-1x1 der WirtschaftsWoche: Das vollständige Dossier finden Sie hier zum Download
Krypto-Anhänger würden jetzt wohl sagen, dass der Bitcoin auf lange Sicht sehr wohl die Inflation geschlagen habe. Wer 2015 in die Kryptowährung investiert hat, liegt heute 5400 Prozent im Plus. Die extreme Wertsteigerung in den vergangenen Jahren ist aber kein Beleg dafür, dass Bitcoin vor Inflation schützen würde.
2. Dezentralität ist Wunschdenken
Der große Traum von Satoshi Nakamoto – so lautet das Pseudonym des bis heute unbekannten Bitcoin-Erfinders – war es, eine Finanzwelt ohne Mittelsmänner wie Banken zu kreieren. Die weltweite Finanzkrise hat das Vertrauen in den Finanzsektor erodieren lassen. Die Antwort sollte der Bitcoin sein, der Zahlungen zwischen zwei Parteien ohne Intermediäre zulässt. Die Blockchain – das digitale Datenprotokoll, auf dem alle Transaktionen gespeichert sind – ist öffentlich einsehbar und nicht manipulierbar.
Doch es kam anders. Die Verwerfungen am Kryptomarkt zeigen, dass sich die Idee einer dezentralen Finanzwelt kaum realisieren lässt. Im vergangenen Jahr fiel die Kryptobranche nämlich vor allem mit windigen Geschäftsmodellen auf. Der vorläufige Höhepunkt war mit der Insolvenz der Kryptobörse FTX erreicht, deren Hintermänner sich nun wegen Betrugs verantworten müssen. Kundengelder in Milliardenhöhe sind wohl verloren. 2022 gingen gleich mehrere Branchenakteure pleite – Börsen, Krypto-Finanzierer und Hedgefonds, die abenteuerliche Zinsen versprachen.
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Eingefleischte Bitcoin-Anhänger würden ihr Geld niemals von einer Kryptobörse verwahren lassen, sondern halten diese in eigenen Wallets, also digitalen Brieftaschen. „Not Your Keys, Not Your Coins“ ist ihr Motto. Dennoch, das Gros der Anleger handelt auf Kryptobörsen oder bei Smartphonebrokern – und könnte Geld verlieren, wenn der Anbieter in Schieflage gerät.
3. Bitcoin ist kein globales Zahlungsmittel
Bitcoin ist für Nayib Bukele eine Herzensangelegenheit. Der Präsident von El Salvador führte 2021 die Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel ein, gegen den Willen vieler Bürger. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte sich Bukele nicht aussuchen können. Kurz darauf brachen die Kurse ein. Der Bitcoin-Präsident hält dennoch an seiner Strategie fest und kauft fleißig weiter Coins.
Dabei hat sich gezeigt, dass Bitcoin kaum als Zahlungsmittel taugt. Das liegt zum einen daran, dass es bisher nur wenige Möglichkeiten gibt, mit Kryptowährungen zu zahlen. Fraglich ist auch, ob Kunden bereit sind, die teils hohen Transaktionsgebühren zu zahlen. Zuletzt lagen diese bei 80 Cent pro Transaktion. Außerdem machen die starken Wertschwankungen Bitcoin-Zahlungen unattraktiv.
Lediglich in einigen afrikanischen Ländern scheinen sich Bitcoin und Co. zu etablieren. Dort haben viele Menschen keinen Zugang zu einem Bankkonto – und könnten mit einer Bitcoin-Wallet Zugang zum Zahlungsverkehr erlangen. Ein globales Zahlungsmittel wird die Kryptowährung dadurch aber nicht.
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Author: Christy Sims
Last Updated: 1702665481
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